Nichts und niemand ist vergessen! In Erinnerung an Thomas „Schmuddel“ Schulz

Heute vor 15 Jahren, am 28.03.2005, wurde in Dortmund der 31-jährige Punk und Antifaschist Thomas „Schmuddel“ Schulz von einem Neonazi ermordet. Wir hatten geplant, heute zusammen mit vielen Genoss*innen in Dortmund gemeinsam an Schmuddel zu erinnern und gegen die tödliche Gewalt, die von Neonazis und Rassist*innen ausgeht, zu demonstrieren. Die Corona-Pandemie lässt das verständlicherweise nicht zu, aber wir wollen den Anlass nutzen, um einige Worte an unsere Freund*innen in Dortmund zu richten.

Auch uns als Gruppe haben der Mord an Schmuddel und die antifaschistischen Reaktionen darauf geprägt. Einige von uns standen vor 15 Jahren voller Trauer und Wut mit euch auf der Straße – verbunden auch in dem Wissen, dass jede*r von uns an Schmuddels Stelle hätte stehen und sterben können. Das war ein einschneidendes Erlebnis. Die antifaschistischen Reaktionen auf den Mord und die damals allgegenwärtige Straßengewalt der Neonazis in Dortmund haben wir ebenfalls miterlebt und unterstützt. Sei es bei den Demos, in der Erinnerung an Schmuddel, bei Infoveranstaltungen oder anderen Dingen, die notwendig waren und es leider wohl auch bleiben werden.

Aus der gegenseitigen Solidarität und Unterstützung in dieser Zeit wuchsen auch Verbindungen, Netzwerke und Freundschaften, die bis heute anhalten – so traurig und beschissen der Anlass auch gewesen sein mag.

Der Mord an Schmuddel fiel in eine Zeit, in der die Neonazis in Dortmund ihren Machtanspruch auf brutalste Art und Weise durchzusetzen versuchten. Die Nazi-Szene diskutierte rechtsterroristische Konzepte und setzte sie auch aktiv um, u.a. durch den Aufbau einer bewaffneten Combat18-Zelle. Der NSU ermordete Mehmet Kubaşık in Dortmund, mutmaßlich unterstützt durch Neonazis vor Ort. Gewalt auf der Straße – organisiert wie spontan – war an der Tagesordnung. Insgesamt starben mindestens 5 Menschen in diesen Jahren. Seitdem ist viel geschehen und allen Widrigkeiten, Streitigkeiten und Repressalien zum Trotz ist Dortmund heute eine andere Stadt mit einer breiten antifaschistischen Bewegung und vielfältigen emanzipatorischen (Kultur)Projekten, Initiativen und Gruppen.

Und dieser Zustand wurde hart erkämpft: Gegen die Stadtverwaltung und -politik, die sich bis vor wenigen Jahren vor allem mit Wegschauen und der Diskreditierung antifaschistischer Proteste hervortat. Gegen die Polizei, die den Neonazis jahrelang den roten Teppich ausrollte und sich dabei immer wieder selber übertraf. Wir erinnern uns noch gut an die letzte Schmuddel-Demo 2015 als die Polizei kurzfristig die Route der Antifa-Demo änderte und diese letztendlich auseinanderprügelte, während die Neonazis auf einer prestigeträchtigen Route durch die Stadt geführt wurden, die eine Woche zuvor den Ultras des BVB noch aus Sicherheitsgründen untersagt worden war. Und letztendlich auch gegen uns selbst – die wir in Dortmund immer wieder mit erbitterten Auseinandersetzungen innerhalb der radikalen Linken beschäftigt waren. Es war ein langer Weg bis zum heutigen Zustand. Wir sind froh, ein kleiner Teil davon gewesen zu sein, mit euch gemeinsam und zusammen diskutiert, demonstriert, gekämpft, gelacht, geheult, kassiert und Erfolge gefeiert zu haben. Danke dafür!

Und vor allem Danke dafür, dass ihr euch nicht habt entmutigen lassen, euch nicht zurückgezogen habt ins Private – obwohl man auch das allzu gut hätte verstehen können, dass ihr weitergemacht habt, auch nach den „Events“, wenn wir wieder zu Hause waren und die Nazis wieder euer Alltag. Danke, dass ihr in der Zeit weiter und unermüdlich Antifaarbeit betrieben, Freiräume erkämpft und aufgebaut, zivilgesellschaftliche Akteur*innen gewonnen und Bündnisse geschmiedet habt.

Diese breit aufgestellte antifaschistische Bewegung ist wichtiger denn je. Denn die Neonazis sind nicht weg und waren es nie. Aber sie sind mittlerweile weitgehend in der Defensive. Es tut sehr gut, das zu sehen. Michi Brück, der panisch die Türen des Dortmunder Hauptbahnhofs zuhält und dann mit seinen Kamerad*innen nach Dorstfeld flüchtet. Ein Thor Steinar-Laden der nach entschlossenen und ausdauernden Protesten dichtmachen muss. Neonazis, die ihre Demos durch die Nordstadt nur dank der massiven Hilfe der Polizei durchführen können und sie trotzdem aufgrund der Proteste und eigener Verluste frühzeitig abbrechen müssen. Ein zum Zoo gewordener Nazi-Kiez, der immer leerer wird und schrumpft. Auf der anderen Seite eine wachsende Kulturszene, mit diversen Angeboten und Anschlussmöglichkeiten für (fast) alle. Solidarische Aktionen mit den Leuten aus den Kiezen, nicht gegen sie. All das macht Mut. Wir wissen das nicht, vermuten aber, Schmuddel hätte das sehr gefallen.

Was wir wissen ist, dass wir uns nicht darauf verlassen können, dass das von alleine so bleibt. Wir wissen, dass Nazis, Rassist*innen und andere Menschenfeinde angesichts des Rechtsrucks und der diversen Krisen ihre Zeit gekommen sehen. Deshalb seid euch unserer Solidarität sicher, auch wenn wir heute nicht gemeinsam in Dortmund auf der Straße stehen können. Wir sind da und versuchen weiter an eurer Seite zu stehen, wann immer das notwendig sein sollte.

In Gedenken an Thomas „Schmuddel“ Schulz, Mehmet Kubaşık und alle anderen Opfer rechter Gewalt! Nichts und niemand ist vergessen! Hiç unutmadık!

This entry was posted in Uncategorized. Bookmark the permalink.