3. März: Polizei ermöglichte gewaltsam den Naziaufmarsch – Antisemitische und rassistische Reden wurden geduldet

Während die Polizei zum Teil mit massiver Gewalt gegen den vielfältigen Protest vorging, wurde den Neonazis der Weg freigemacht. Ihre antisemitischen Reden sowie volksverhetzenden Parolen blieben ohne Konsequenzen.

Die Polizei ermöglichte am 3. März mit einem großen Polizeieinsatz den Marsch von 300 Nazis durch das Wohnviertel Rumphorst in Münster. Dazu riegelte sie das Viertel hermetisch ab, stellte es seit den frühen Morgenstunden unter einen regelrechten Besatzungszustand, schikanierte die Anwohner_innen und deren Freundinnen, bedrohte die an den Absperrungen Protestierenden mit mehreren Wasserwerfern und verhinderte so erfolgreiche Blockaden des Aufmarsches. Während die Polizei gegenüber Antifaschist_innen an vielen Stellen Pfefferspray, Schlagstöcke, Pferde und Hunde einsetzte, dabei einen 20-jährigen lebensgefährlich verletzte, hofierte sie die Nazis. Demoanmelder Sascha Krolzig wurde mit Polizeigeleit ins abgeriegelte Viertel gebracht und ein Zug mit Nazis erhielt einen Sonderhalt am Bahnhof Zentrum-Nord. Zeitgleich ging die Polizei massiv gegen anreisende Antifaschist_innen vor, die sie in Münster-Sprakel mit Gewalt aus dem Zug holte. Die Polizei unter Präsident Wimber wollte den Aufmarsch um jeden Preis durchsetzen und machte sich so zum „Dienstleister“ der Nazis.

Brauner Hassaufmarsch unter Polizeischutz


Die Organisatoren: Sascha Krolzig (l.) und Achim Kemper (r.)

Die Nazis nutzen den ihnen von der Polizei frei geräumten Weg, um einen rassistischen und antisemitischen Hassaufmarsch durchzuführen. „Alles für Volk, Rasse, Nation“ und „Westdeutschland – Naziland“ rufend zogen die fast ausschließlich zugereisten Teilnehmenden durch Rumphorst. Gegen offensichtlich volksverhetzende Parolen griff die Polizei nur halbherzig durch. Als sie endlich die Parole „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ untersagte, änderten die Nazis diese in „Deutschland den Deutschen – Ausländerstopp“, was von der Polizei dann nicht mehr beanstandet wurde.
Auf der Auftaktkundgebung sprach für die „Nationalen Sozialisten Münster“, der 25-järhige Achim Kemper und forderte u.a, “Macht die Grenzen dicht!” In seiner antisemitisch gefärbte Rede über die “Hochfinanz”sagte er: ‘‘Diese Fremden Mächte sind aber nicht irgendwer, weder der Präsident der USA, noch sein russischer Amtskollege oder die Europäische Union wären mächtig, wenn nicht die Wirtschaft und speziell die Hochfinanz hinter ihnen stehen würden.‘‘ „Fremde Mächte“ und „Hochfinanz“ werden von den Nazis als Chiffren für „die Juden“ verwendet. Achim Kemper arbeitet als Paketfahrer bei der DHL. Er wird verdächtigt, seine berufliche Stellung benutzt zu haben, um sich personenbezogene Daten zu verschaffen. Im Januar hatten die „Nationalen Sozialisten Münster“ berichtet, zehn Drohbriefe an vermeintliche Antifaschist_innen verschickt zu haben. Die DHL hat sich auch fast zwei Wochen nach den schweren Vorwürfen noch immer nicht zufriedenstellend geäußert. Es muss sichergestellt werden, dass Achim Kemper ab sofort keinen Zugang mehr zu personenbezogenen Daten erhält. Weitere Konsequenten von Seiten des Unternehmens sind angebracht.

Antisemitische Hetze

Nazi-Redner Martin Wegerich von den „Nationalen Sozialisten Münster“

Die antisemitische Hetze ging auch auf der ersten Zwischenkundgebung weiter. Dort sprach der wegen mehrfacher schwerer Körperverletztung verurteilte Nazi-Schläger Christoph Drewer aus Dortmund, der unter anderem behauptete, die „Weltjudenheit“ hätte 1933 dem „Deutschen Reich“ den Krieg erklärt: „14 Millionen Juden haben sich wie ein Mann zusammengeschlossen um den deutschen Verfolgern ihrer Glaubensgenossen den Krieg zu erklären.‘‘ Drewer, der ursprünglich aus den Reihen der „Kameradschaft Hamm“ stammt, bezog sich auch mehrfach positiv auf Adolf Hitler.
Auf der zweiten Zwischenkundgebung sprach neben weiteren Nazikadern der Emsdettener Martin Wegerich von den „Nationalen Sozialisten Münster“, der auch als Ordner der Demonstration fungierte.

Fast ausschließlich zugereiste Nazis


Ordner am 3. März: Marius Korte und Tobias Hartmann von den „nasoms“

Aus Münster selbst nahmen nur eine Handvoll Nazis teil. Ohne die Unterstützung von außerhalb, beispielsweise durch die „Kameradschaft Hamm“, wäre der Aufmarsch nicht durchführbar gewesen. Viele Neonazis kamen aus NRW-Städten wie Dortmund, Wuppertal, Essen, Köln oder Aachen. Der Lautsprecherwagen wurde allerdings durch das in Rheinland-Pfalz aktive „Aktionsbüro Mittelrhein“ gestellt. Der blaue Transporter hat das Kennzeichen AW-X-3107, was eine Anspielung auf einen Nazi-Mord ist. In der Nacht vom 31.07.1992 auf den 01.08.1992 wurde der Obdachlose Dieter Klaus Klein von Neonazis im Stadtpark von Bad Breisig (Landkreis Ahrweiler) umgebracht. Weitere Nazis reisten aus Niedersachsen, Hessen und Süddeutschland an. Auch eine Delegation niederländischer Nazis reiste nach Münster.

Eine deutliche Ansage

So widerwärtig die Parolen der Nazis waren, sie wurden von dem Protest der insgesamt über 7000 Menschen meist übertönt. An den Sperren der Polizei sammelten sich Tausende Menschen, die die Nazis mit Pfiffen und Sprechchören bedachten, vereinzelt folgen auch Eier und Essensreste. Besonders die Anwohner_innen protestierten trotz bedrohlich und ruppig auftretender Polizei mit großem Einsatz. In den Vorgärten und auf den Balkonen stehend zeigten sie ihre Ablehnung. Überall im Viertel hingen Transparente und Plakate. Das Signal an die Nazis war mehr als eindeutig: Ihr seid hier nicht erwünscht, ihr könnt euch nur dank der Polizei bewegen. Das Ziel sich mit diesem Aufmarsch in der Stadt zu etablieren, gar die vermeintliche „rote Hochburg“ zu „erobern“, misslang. Trotz der Polizeischikane und -gewalt bleibt vom 3. März die massenhafte Beteiligung an den kreativen und lautstarken Protesten in Erinnerung, sowie die beeindruckende Entschlossenheit, mit der viele Antifaschist_innen immer wieder versuchten, in das Viertel zu gelangen. Mehrmals gelang es Sitzblockaden auf der Route zu errichten, allerdings waren diese nicht groß genug, um mehr als symbolische Wirkung zu haben.

Eine ausführliche Betrachtung der Proteste werden wir in nächster Zeit veröffentlichen.

Siehe auch:
Erstes Fazit des „Keinen Meter“-Bündnis

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