„Ich habe hier vor 5 Jahren gesprochen. Und damals habe ich gesagt. Und ich werde es immer sagen, dass der Faschismus und der Rassismus leider noch immer nicht verschwunden sind. Nicht nur in Deutschland nicht, nicht nur in Holland nicht und eigentlich überall noch nicht. Und ich warne auch immer in der Schule davor, dass wir immer noch kämpfen müssen gegen den Faschismus und gegen den Rassismus.“
Mit diesen Worten begann Celine van der Hoek de Vries am 8. Mai 2008 ihre Rede in Münster (Video). Der 8. Mai – Tag der Befreiung vom Faschismus – ist für Genoss*innen unserer Gruppe, aber so denken wir auch für viele andere Genoss*innen aus dem Münsterland– mit Erinnerungen an die Ausschwitz-Überlebende Celine van der Hoek de Vries verbunden. Celine hat uns mehrfach in Münster besucht. An Schulen und bei Abendveranstaltungen hat sie uns und vielen anderen ihre Geschichte erzählt.
Die Jugendgeschichtswerkstatt Münster reiste zu ihr nach Amsterdam und drehte einen kurzen Film über Celine. Zweimal organisierten wir Gedenkstättenfahrten nach Amsterdam und besuchten Celine dort. Sie zeigt uns Orte ihrer Geschichte wie die „Hollandse Shouwburg“ und das Konzentrationslager Westerbork. Ihre eindrücklichen Schilderungen haben uns tief bewegt.
Celine van der Hoek de Vries wurde 1920 in Amsterdam geboren und wuchs in einem sozialistischen Elternhaus auf. Nachdem sie die Mittelschule abgeschlossen hatte, wurde sie Erzieherin. Nach der Besetzung der Niederlande durch die Deutschen am 10. Mai 1940 konnte sie als Jüdin jedoch nicht weiter in diesem Beruf arbeiten. Als ihre Mutter und ihr Bruder verhaftet wurden, gelang es Celine unterzutauchen. Sie lebte einige Zeit im Untergrund bevor sie verhaftet und in das Sammellager für die Amsterdamer Jüdinnen und Juden, die “Hollandse Schouwburg”, gebracht wurde. Zwar konnte sie durch die Hilfe eines Bekannten fliehen und wieder untertauchen, wurde jedoch verraten und erneut in der “Hollandse Schouwburg” inhaftiert. Später wurde sie im Konzentrationslager Westerbork an der niederländisch-deutschen Grenze inhaftiert und von dort im September 1944 nach Auschwitz deportiert.
Mit viel Glück überlebte sie als eine der Wenigen das Vernichtungslager, in dem zuvor ihre Angehörigen ermordet wurden. Im Dezember 1944 wurde sie in ein Lager der deutschen Rüstungsindustrie deportiert, wo sie schwerste Zwangsarbeit verrichten musste. Völlig entkräftet wurde sie dort 1945 befreit. „Eine Woche länger und ich hätte nicht überlebt“, sagte Celine immer. Die damals 25-jährige wog nur noch 24 Kilo.
Nach dem Krieg studiert Celine, trotz des Unverständnisses ihrer Bekannten, in Deutschland. Als unermüdliche Antifaschistin machte Celine es sich zur Aufgabe, von ihren Erlebnissen während des Nationalsozialismus zu berichten und sich gegen Rassismus und Faschismus einzusetzen. Celine ist am 30. September 2011 im Alter von 91 Jahren in Amsterdam verstorben. Wir waren sehr traurig, als wir von ihrem Tod erfahren haben.
Wir erinnern uns an Celine und versuchen ihre Botschaft weiter zu tragen. Enden möchten wir mit Celines Worten an uns bei ihrem letzten Zeitzeuginnengespräch in Münster:
„Überall fängt der Rassismus wieder an – und auch der Faschismus. Und ich sage immer: Kämpft dagegen. Ich hoffe, dass das was ich euch erzählt habe – es ist nicht umsonst gewesen, dass es ich es erzählt habe.“