Die „Landsmannschaft Rhenania“, eine Studentenverbindung aus dem Dachverband „Coburger Convent“, möchte 2016 einen großen Festkommers im Friedenssaal des Münsteraner Rathauses abhalten. Die Rhenania steht in den Jahren 2015/2016 dem „Coburger Convent“ vor. Mit den Stimmen von SPD, Grüne, Die Linke, Piraten und ÖDP hat der Haupt- und Finanzausschuss des Rats der Stadt Münster diesem Wunsch widersprochen, da es sich bei der Rhenania um eine schlagende Verbindungen handelt und sie – wie die große Mehrheit der Studentenverbindungen auch – keine Frauen als Mitglieder aufnimmt. CDU und AfD stimmten für eine Überlassung des Rathauses an die „Landsmannschaft“. Auch Oberbürgermeister Lewe setzt sich für die Rhenania ein und hat den Beschluss mit Verweis auf das Recht auf Gleichbehandlung beanstandet. (siehe Artikel in der MZ)
Das Spektrum der Studentenverbindungen ist differenziert, die meisten vertreten aber eine konservative politische Ausrichtung. Besonders die „Deutschen Burschenschaft“ (DB) und ihre Mitgliedsbünde (in Münster: die Burschenschaft Franconia), die „Deutsche Gildenschaft“ sowie einzelne Bünde des „Vereins Deutscher Studenten“ (VDST) fallen immer wieder durch extrem rechte Äußerungen, Kontakte in das Rechtsaußenlager und Neonazis in ihrer Mitgliedschaft auf. Auch der „Coburger Convent“ kann sich von Kontakten nach Rechtsaußen nicht freisprechen. Als Beitrag zur aktuellen Diskussion dokumentieren wir im Folgenden einen im Jahr 2010 erschienenen Beitrag aus der Zeitschrift LOTTA, der sich mit den damaligen Konflikten um die politische Ausrichtung des „Coburger Convents“ beschäftigt. Auch unabhängig von einer Betätigung im Rechtsaußenlager lehnen wir die Vergabe städtischer Räumlichkeiten an eine schlagende Studentenverbindung ab. Es handelt sich bei ihnen um elitäre Männerbünde, die sich in ihren zweifelhaften Praktiken wie dem Fechten mit scharfen Waffen auf „Traditionen“ berufen, aber letztendlich ein Anchronismus an den Hochschulen darstellen und nicht unterstützenswürdig sind.
Der Coburger Covent
Die geistige Gemeinschaft der Deutschen
Der Coburger Convent will sich sein Interesse an der „Konservativen Revolution“ nicht verbieten lassen und rückt nach rechts.
„Da soll doch…!“ Die Empörung steht Rüdiger Franz ins Gesicht geschrieben. Wie es denn um das Verhältnis zwischen dem Coburger Convent und der NPD bestellt sei, will jemand von ihm wissen, als sich die Podiumsdiskussion ihrem Ende nähert. „Es muss doch ohne jeglichen Zweifel klar sein, dass wir nicht kompatibel sind mit irgendwelchen Glatzköpfen mit Springerstiefeln“, wettert Franz: „Das sollte eigentlich von denkenden Menschen gar nicht in Frage gestellt werden!“ Eigens ist der Alte Herr der Landsmannschaft Teutonia Bonn aus dem Rheinland ins weit entfernte Oberfranken gereist, um den Dachverband seiner Studentenverbindung gegen Kritik in Schutz zu nehmen, und da kommt ihm doch glatt jemand aus dem Coburger Publikum mit der NPD. „Ich verbitte mir die Forderung nach einer Abgrenzung“, schimpft Franz: „Allein diese Forderung kommt schon einer Beleidigung gleich.“ Coburger Convent und NPD – was für eine Frage!
Der Coburger Convent (CC) ist einer der größten Dachverbände von Studentenverbindungen in Deutschland und Österreich. Seinen Namen verdankt er dem jährlichen Pfingstkongress, den die Mitgliedsbünde – farbentragende, pflichtschlagende Landsmannschaften und Turnerschaften – im oberfränkischen Coburg abhalten. Eigenen Angaben zufolge gehören dem CC, der ausschließlich Männer aufnimmt, 1.600 studentische Mitglieder und 10.200 Alte Herren an. Das Verbandsmotto lautet „Ehre, Freiheit, Freundschaft, Vaterland“. Zum Stichwort Vaterland erklärt der Verband: „Der Coburger Convent bekennt sich zur geschichtlichen und geistigen Gemeinschaft der Deutschen.“ Diese Gemeinschaft reicht dabei nach Meinung des CC über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus: Ihm gehören fünf Landsmannschaften an, die in Österreich ihren Sitz haben. Deutsch ist im CC mithin ein nicht territorial, sondern völkisch definierter Begriff; und wie so viele völkisch geprägte Organisationen unterhält er Beziehungen ins Netzwerk der äußeren Rechten.
„Konservative Revolution“
Beispiele? Eins der bekanntesten bietet die Landsmannschaft Mecklenburgia-Rostock zu Hamburg. „Als Gemeinschaft von Studenten und Akademikern“, schreibt die Verbindung auf ihrer Website, „pflegen wir den offenen Gedankenaustausch“. Dazu führt sie regelmäßig Vortragsveranstaltungen durch. Die Referenten, die bei der Mecklenburgia-Rostock auftreten, lassen deutlich erkennen, was die Landsmannschaft in der Praxis unter „offenem Gedankenaustausch“ versteht: Diskussionen mit führenden Exponenten von Kreisen, die die sogenannte Konservative Revolution wieder hoffähig zu machen suchen. Die „Konservativen Revolutionäre“ aus der Zeit der Weimarer Republik werden in der Geschichtswissenschaft als „Wegbereiter des Nationalsozialismus“ eingestuft. Ihre Gedanken sind prägend etwa für die Arbeit des rechten Thinktanks Institut für Staatspolitik aus Schnellroda im Saalekreis, der mit Seminaren, einer Zeitschrift (Sezession) und Buchpublikationen (Edition Antaios) die Intellektualisierung der deutschen Rechten zu fördern sucht. Der wissenschaftliche Leiter des Instituts, Karlheinz Weißmann, findet sich auf der Referentenliste der Mecklenburgia-Rostock ebenso wie Autoren der Sezession (Till Kinzel, Frank Lisson) oder der Herausgeber der gleichfalls an der „Konservativen Revolution“ interessierten Wochenzeitung Junge Freiheit, Dieter Stein. Mit Reinhard Günzel, einem früheren Kommandeur der Bundeswehr-Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK), hat in den Räumlichkeiten der Landsmannschaft auch ein Militär referiert, der beim Institut für Staatspolitik aufgetreten ist.
Das Milieu um das Institut für Staatspolitik kommt im CC auch sonst gut an. Niels Wegner, ein Mitglied der Landsmannschaft Darmstadtia Gießen, referierte im Haus seiner Verbindung bereits über die „Konservative Revolution“ und ist Autor der Schülerzeitung Blaue Narzisse, die sich inhaltlich und personell im Umfeld des Instituts für Staatspolitik bewegt. Ende 2008 berichtete die Verbandszeitschrift CC-Blätter von einer Verbandstagung im thüringischen Bad Blankenburg, an der „mehrere hundert Verbandsbrüder“ teilgenommen haben sollen. Einer der Referenten namens Christoph Rothämel wurde damals von der mitveranstaltenden Landsmannschaft Teutonia Bonn als „Autor des nicht-linken Internetportals blauenarzisse.de“ vorgestellt. Die CC-Tagung kreiste um die Frage, ob und wie an den deutschen Hochschulen politisch Einfluss genommen werden könne – und der Leipziger Student Rothämel erntete laut Bericht der Teutonia Bonn „mit seinem Verweis auf die ‚zahlreichen Möglichkeiten im vorpolitischen bzw. metapolitischen Raum‘ von seiner CC-Zuhörerschaft reichlich Beifall“. Mit „Möglichkeiten im vorpolitischen bzw. metapolitischen Raum“ sind unter anderem Bemühungen gemeint, durch kulturelle Aktivitäten das politische Klima an den Hochschulen zu beeinflussen.
Nicht allen im CC behagt das Interesse, das große Teile des Dachverbandes an solchen Positionen haben. Anfang 2009 zierten fünf Aktive der Hamburger Landsmannschaft Hammonia-Marko Natangia die Titelseite der CC-Blätter – fotografiert vor dem Logo der Initiative Netz gegen Nazis, bei der sie einen Preis gewonnen hatten. Landsmannschafter gegen Rechts? Das stieß einigen im CC denn doch bitter auf, wütende Äußerungen füllten die Leserbriefspalten der Verbandszeitschrift. Ein heftiger Streit um den Kurs des Verbandes ist inzwischen im Gange – und in diesem Kontext lässt sich eine Ankündigung verstehen, die die Landsmannschaft Teutonia Bonn bald nach der Übernahme des Verbandsvorsitzes im Jahr 2008 tätigte. „Keine Anpassung also, sondern Sezession, Abkehr und offener Widerspruch, etwa wenn veröffentlichte Meinung uns vorschreiben will, welche Zeitungen und Bücher wir (nicht) zu lesen, welche Veranstaltungen wir (nicht) zu besuchen und welche Art von Kleidung wir (nicht) zu tragen haben“, hieß es im „1. Präsidialbrief“ der Teutonia Ende 2008. Bezieht sich der „offene Widerspruch“ auch etwa auf die Nutzung von Medien wie der Blauen Narzisse? „Genau. So ist es gemeint“, bestätigte der Teutone Rüdiger Franz auf der Coburger Podiumsdiskussion im Mai 2010. „Solange Zeitschriften nicht verboten sind, kann ich guten Gewissens darin lesen.“
„Legenden und Lügen“
Gelesen – und auch weiterempfohlen, mutmaßlich ebenfalls guten Gewissens – wird und wurde im CC so einiges. Bemerkenswerte Rezensionen fanden sich in den CC-Blättern ganz besonders in den 1990er Jahren. Da hatte ein Mitglied der Landsmannschaft Thuringia Berlin – ihr gehört auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Holger Krestel an – ein Werk entdeckt, das ein gewisser Fritz Hippler bei der Verlagsgesellschaft Berg veröffentlicht hatte, einem der bedeutendsten Verlage der extremen Rechten in Deutschland. Der Berliner Landsmannschafter war begeistert. Autor Hippler analysiere in seinem Werk „das dialektische Wechselspiel von eigener Überzeugung, Propaganda, Gehirnwäsche, Dressur, Meinungsdruck, Umerziehung“, orakelte der Rezensent düster: „Knapp und treffend“ revidiere er angebliche „Legenden und Lügen“ um NS-Verbrechen zum Beispiel in Guernica, Warschau, Rotterdam, Oradour und Malmédy. „Auch die Kriegstreiberei der USA“ oder „unser angeblich heimtückischer Überfall auf die Sowjetunion“ sowie „die Strategie des Luftterrors“ erschienen „in wesentlich anderer Beleuchtung“. „Selbstverständlich“, triumphierte der Rezensent, „bleibt auch die blutige Groteske des Internationalen Militärtribunals in Nürnberg nicht unerwähnt.“ Tusch für Hippler!
Ganz unerwartet kam die Lobhudelei auf den 1995 erschienenen Hippler-Band „Korrekturen“ nicht. Fritz Hippler, bis zu seinem Tod im Mai 2002 Mitglied der Landsmannschaften Arminia Berlin und Teutonia Heidelberg-Rostock, hat im CC eine recht wichtige Rolle gespielt, vor allem in den frühen 1930er Jahren. Zu seiner Aktivenzeit war er auf den höheren Ebenen des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) tätig, etwa als einer von zehn NSDStB-Kreisführern und als NSDStB-„Vertrauensmann“ in der Deutschen Landsmannschaft, einem der zwei Vorläuferverbände des CC. Als solcher trug er maßgeblich dazu bei, Hans Meinshausen, den Stellvertreter des Berliner Gauleiters Joseph Goebbels, 1933 ins Amt des Führers der Deutschen Landsmannschaft zu hieven. Meinshausen brachte es im NS-Staat nicht über das Amt des Staatskommissars für das Schulwesen und später des Görlitzer Bürgermeisters hinaus; im Oktober 1948 wurde er hingerichtet, da er noch im Februar 1945 während der Evakuierung von Görlitz mindestens 173 Häftlinge des dortigen KZ-Außenlagers hatte ermorden lassen. Hippler, der Meinshausen in der Deutschen Landsmannschaft die Steigbügel gehalten hatte, kletterte in der Hierarchie Nazideutschlands um einiges weiter hinauf.
Der Reichsfilmintendant
Genauer: Fritz Hippler brachte es nicht nur bis zum SS-Obersturmbannführer, er stieg vor allem im Goebbels’schen Propagandaministerium auf. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre dockte er in der Filmabteilung des Hauses an, wurde Ende der 1930er Jahre deren Leiter und 1942 schließlich sogar Reichsfilmintendant. Unter seiner Regie entstand 1940 einer der übelsten antisemitischen Hetzfilme der NS-Zeit, „Der ewige Jude“. „Mache ich“, dozierte Hippler 1942 trocken, „einen antisemitischen Film, so ist es klar, daß ich die Juden nicht sympathisch darstellen darf.“ Ein Happy End dürfe man auch in einem solchen Film durchaus konstruieren; es könne etwa „in dem Kuß eines Liebespaares bestehen“ oder aber auch „im Aufhängen des ‚Jud Süß'“. Nazi-Profi Hippler wirkte auch nach 1945 noch an der Herstellung von Filmen mit, und gelegentlich publizierte er auch Texte – Bücher in der Verlagsgesellschaft Berg sowie Artikel in der Nationalzeitung oder Nation & Europa. Schließlich meldete er sich gelegentlich in den CC-Blättern zu Wort. „Wegen möglicher Störungen auf die drei Strophen verzichten?“, fragte er 1991 verärgert in einer Debatte um das Deutschlandlied – genau zu der Zeit, als eine seiner beiden Landsmannschaften, die Teutonia Heidelberg-Rostock, für ein Jahr den Vorsitz im CC übernahm.
„Ich kenne diesen Herrn nicht“, gab der Bonner Teutone Rüdiger Franz im Mai 2010 zu Protokoll, als er bei der Coburger Podiumsdiskussion auf die Auseinandersetzung des CC mit NS-Aktivitäten seiner Mitglieder angesprochen wurde. „Vergangenheitsbewältigung“ sei „sicherlich eine sehr interessante und auch unterhaltsame Angelegenheit“, wichtiger sei jedoch der Blick in die Zukunft. Ganz so geschichtsvergessen wie der Historiker Franz, der laut Eigenangaben „als Berichterstatter verschiedener Medien der Bundeswehr aus deren neu erschlossenen Aufgabengebieten im Ausland“ im Einsatz war und heute für den Bonner General-Anzeiger schreibtm (über spannende Geschehnisse in Königswinter und Umgebung, unter anderem über Ereignisse rund um das Haus Schlesien), sind jedoch nicht alle im CC.
Anschluss an das Reich
Dies gilt unter anderem für die Akademische Landsmannschaft Viruna Graz, die 1936 in Österreich wegen „verbotener politischer Aktivitäten“ aufgelöst wurde. Damals, schreibt die Landsmannschaft, betrieben „deutschnational gesinnte Kräfte den Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich mit allen Mitteln“. Die damaligen Ereignisse sind den heutigen Aktiven noch sehr präsent; so sollen vor der Auflösung, berichten sie, „für einen gewaltsamen Anschluß geheime Waffenlager nördlich von Graz“ angelegt worden sein. Historisch interessiert gibt sich auch die Akademische Landsmannschaft Tyrol zu Innsbruck. „Durch das Siegerdiktat von St. Germain“, behauptet sie über die Friedensordnung Europas nach 1918, „gerieten von den 12 Millionen deutschen Einwohnern der Habsburgermonarchie knapp die Hälfte unter Fremdherrschaft“. „Mit Gewalt und gegen jedes Recht wurden die Sudetendeutschen in den Staat der Tschechen hineingezwungen“, ergänzt die Alte Prager Landsmannschaft Böhmerwald zu Linz. Welche Vorstellungen hinter derartigen Äußerungen stecken, kann man bei der Innsbrucker Landsmannschaft Tyrol erfahren. „Unser Patriotismus“, teilt sie mit, „orientiert sich nicht an einem Staatswesen, sondern am Wesen des deutschen Kulturerbes“. Und das reicht nach ihrer Ansicht weit über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus.
Gibt es bei all dieser Deutschtümelei wirklich keine Kontakte des CC zur NPD? Es gibt sie. Ihm seien zwei CC-Verbindungen bekannt, in denen NPDler Mitglied gewesen seien, berichtete Veit Stößlein, Leiter des CC-Rechtsamtes, bei der Coburger Podiumsdiskussion. In beiden Fällen seien die NPDler zwar ausgetreten, um einen Rufschaden für den Verband abzuwenden. Jedoch müsse festgehalten werden, „dass der Coburger Convent, solange eine Verfassungsfeindlichkeit nicht besteht, auch mit einer Mitgliedschaft in der NPD bezogen auf eine einzelne Person keine Schwierigkeiten hat“. Das ist bemerkenswert, auch deswegen, weil dem CC einflussreiche Personen angehören, etwa EU-Kommissar Günther Oettinger, ein Vizepräsident des Europaparlaments (Rainer Wieland) und der Vorsitzende des EU-Ausschusses im Bundestag (Gunther Krichbaum) – alle drei sind Mitglied der Landsmannschaft Ulmia Tübingen. CDU-Prominenz in einem Verband mit Kontakten zur NPD – der CC ähnelt immer stärker der Deutschen Burschenschaft (DB).
Autor: Jörg Kronauer, erschienen in: LOTTA – antifaschistische Zeitung aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen, #40, Herbst 2010