Gut informiert. Solidarisch. Und vor allem: Entschlossen. – Unsere Redebeitrag bei den Protesten gegen die AfD am 30.01.2021

Zusammen mit mehr als 200 Menschen protestierten wir am 30.01.2021 vor Ort und online gegen den Kreisparteitag der extrem rechten AfD. In unserem Redebeitrag beleuchteten wir den Machtkampf zwischen Kreis- und Bezirksverband Münster und legen dar, warum wir uns von Labeln wie „gemäßigt“, „bürgerlich-konservativ“ oder auch „Mitte der Gesellschaft“ weder täuschen noch von Kritik abhalten lassen sollte:

Liebe Freund:innen,
verhasste AfD,

seit Jahren wird darüber gestritten, wie die “Alternative für Deutschland” passend zu bezeichnen ist. Diese Debatte begann kurz nach der Parteigründung 2013 und hält entgegen aller Erkenntnisse bis heute an.

In Kürze wird sich wohl auch der Verfassungsschutz mit seiner angeblichen “Expertise” einbringen, wenn dieser die AfD mutmaßlich unter Beobachtung stellen wird. Was im Zweifelsfall nur mehr Geld und einen gewissen Schutz vor Strafverfolgung für AfD-Mitglieder bedeuten wird, die bereit sind, dem Verfassungsschutz Dinge zu erzählen, die zumeist auch im Internet nachzulesen sind… Aber zurück zum Thema: Die Debatte um das korrekte Etikett für die AfD treibt teilweise absurde Blüten und nutzt vor allem einer: Dieser extrem rechten Partei selbst. Das lässt sich auch im Münsterland nachvollziehen:

Seit mehr als einem Jahr tobt hier ein offener Machtkampf zwischen dem Bezirksverband Münsterland unter dessen Vorsitzenden Steffen Christ und dem Kreisverband Münster unter Kreissprecher Martin Schiller. Um es von vorneherein klar zu stellen: Hier geht es nicht um Differenzen über die inhaltliche Ausrichtung der AfD im Münsterland, sondern allein um Macht, Ansehen und Geld.

Steffen Christ und der restliche Vorstand des Bezirksverbandes Münsterland sind seit jeher überzeugte Anhänger:innen der offen faschistischen und mittlerweile pro Forma aufgelösten Parteiströmung “Flügel” innerhalb der AfD. Das Szenario ist an Absurdität eigentlich nicht zu überbieten, wenn der Bezirksverband den Mitgliedern des Kreisverbandes ihre zahlreichen und belegten Kontakte zur offenen und militanten extremen Rechten oder ihre unsäglichen Relativierungen des Nationalsozialismus vorwirft, gleichzeitig aber selbst den Thüringer Faschisten Björn Höcke einlädt und einen Polizisten mit einer Vorliebe für Rechtsrockbands als Bürgermeisterkandidaten aufstellt.
Nicht minder absurd ist es allerdings auch, wenn Martin Schiller und seine Kamerad:innen im Kreisverband sich selbst als “bürgerlich-konservativ” bezeichnen und zugleich mit einem Neonazi wie Andreas Kalbitz ergebnissoffen reden wollen, bekannte Neonazis wie Markus Rahmsdorf als Securities im Wahlkampf einsetzen, enge persönliche Freundschaften zur sogenannten “Identitären Bewegung” pflegen und neonazistische, ns-relativierende Postings aus ihrem Kreis gegenüber der Presse als “Geschmackssache” bezeichnen.

Nein, der Machtkampf innerhalb der AfD im Münsterland ist keineswegs ein Ausdruck inhaltlicher oder ideologischer Differenzen. Es geht noch nicht einmal um Differenzen hinsichtlich der eigenen Kommunikationsstrategie oder Außenwirkung. Da ist man sich einig: Man will zwar weiterhin alles sagen dürfen, aber zur extremen Rechten will man sich partout nicht zählen lassen. Stattdessen gibt man sich entgegen aller Offensichtlichkeiten das Label “bürgerlich-konservativ” und nutzt jede Gelegenheit, dieses Label bei der parteiinternen Konkurrenz zu beschädigen. Mittlerweile laufen zwischen Kreis- und Bezirksvorstand gegenseitige Parteiausschlussverfahren, es werden Persönlichkeitsstudien verbreitet, Unterlassungen verlangt und teils unterhält man sich nur noch über anwaltliche Post.

Die Heftigkeit, mit der dieser Konflikt geführt wird, zeigt auch, welche Rolle das Label “bürgerlich-konservativ” für die AfD spielt: Es macht sie für die sogenannte “Mitte der Gesellschaft” zumindest theoretisch noch wählbar. Wer “bürgerlich” und “konservativ” wählt, ist eben kein “Nazi” und gehört weiter zum vermeintlich “anständigen” Teil der Gesellschaft. Die AfD schafft es auf diese Art und Weise, an den etablierten Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und sonstige reaktionäre Einstellungen einer vermeintlich demokratischen “Mitte der Gesellschaft” anzudocken und auch dort Wähler:innen zu gewinnen. Langzeitstudien belegen, dass bis zu 5% der Menschen in Deutschland ein geschlossen extrem rechtes Weltbild haben, rassistische Vorstellungen werden teils von mehr als einem Drittel der Befragten geteilt, antisemitisch denkt bis zu einem Viertel der Leute. Die AfD hat es wie keine andere extrem rechte Partei zuvor geschafft, dieses Potenzial für sich zu aktivieren.

Das liegt zum einen an der Rekrutierung ihres Personals aus diesem menschenverachtenden Potenzial der vermeintlichen Mitte, zum anderen aber auch daran, dass bislang bewährte Strategien, die extreme Rechte im politischen Diskurs als solche zu benennen und dann auszuschließen, im Fall der AfD lange scheiterten. Das Label “Nazi” passte und passt für die Gesamtpartei nicht richtig und so verstand es die AfD, dem eine Inszenierung einer “konservativen” Partei mit einer angeblich gemäßigten Mitte und einem extrem rechten Flügel entgegen zu setzen. Auch antifaschistische Gruppen wie wir taten sich lange schwer, damit einen adäquaten Umgang zu finden.

Dabei ist es gar nicht so schwierig: Auch ohne einen offenen Bezug zum Nationalsozialismus ist und bleibt die AfD eine extrem rechte Partei. Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus, Nationalismus, patriarchale Rollen- und Geschlechterbilder und Geschichtsrevisionismus sind seit jeher ihre Kernthemen. Es braucht keine “Nazi-Skandale”, um die AfD als extrem rechts zu erkennen. Und die Konsequenz daraus kann für alle die sich als antifaschistisch verstehen, kann nur sein, sich jeglichem politischen Diskurs mit ihnen zu verweigern und ihre Arbeit zu sabotieren, wo es nur geht!

Wir sind es leid, AfD-Mitglieder sorgfältig in gemäßigte Rassist:innen, konservative Sexist:innen, liberale Antisemit:innen usw. zu unterteilen und anschließend darüber zu diskutieren, ob das für das Label “Nazi” oder “Faschist:in” ausreicht. Lasst sie uns stattdessen als das benennen was sie sind: Mitglieder einer extrem rechten Partei. Lasst uns konsequent benennen, was sie tun. Und dann sollten wir zugleich fragen, warum die AfD damit bei so vielen Menschen anknüpfen kann und welche Rolle die Politik anderer “bürgerlicher” Parteien dabei spielt. Um uns dann in der Konsequenz allen Rassist:inen, Antifeminist:innen und Antisemit:innen in den Weg zu stellen und ihnen die Räume zu nehmen! Gut informiert. Solidarisch. Und vor allem: Entschlossen. Alerta!

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