Unser Redebeitrag auf der Gedenkkundgebung für die Opfer aus Hanau

„Ich habe immer daran geglaubt, dass das Gegenteil von Liebe nicht Hass ist, sondern Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit ist nicht der Anfang eines Prozesses, sie ist das Ende eines Prozesses.“ An diesem Zitat des Shoah-Überlebenden Elie Wiesel werden wir uns als Gesellschaft messen lassen müssen.

Das schrieben wir nach dem rechtsterroristischen Anschlag vom 9. Oktober letzten Jahres auf unserem Blog. Nun, keine 5 Monate später, stehen wir erneut auf der Straße und sind traurig, bestürzt und wütend. In Trauer um die 10 Toten in Hanau, in Gedanken bei den Angehörigen und Freund*innen der Toten und Verletzten. Ihr Leid können wir nicht ermessen.

Bestürzt über den erneuten rechten Terroranschlag, ein weiterer in einer unerträglichen langen Reihe von kaltblütigen und brutalen Morden und Attentaten. Wütend auf die Täter*innen, ihre Unterstützer*innen, ihre Sympathisant*innen und die geistigen Brandstifter*innen, die sie bestärken und doch niemals verantwortlich sein wollen.

Und wir fühlen uns hilflos und fragen uns, ob eine weitere Kundgebung das Leid in Worte fassen kann oder irgendetwas ändert. Aber wir können nicht einfach dastehen und nichts tun. Und so soll diese Kundgebung einen Raum schaffen für unsere Trauer und für unsere Wut, einen Raum zusammen zu kommen, uns auszutauschen, einander beizustehen und ein Zeichen der Solidarität zu senden.

Wir wollen dem Täter von Hanau hier keinen Raum, keine Bühne für seine Ideologie geben. Was uns dennoch wichtig ist: Der Anschlag war keine unvorhersehbare oder zufällige Tat eines Menschen mit psychischen Problemen. Die Tat war eindeutig rassistisch motiviert. Nicht nur die Videos und Texte des Täters belegen sein extrem rechtes Weltbild, in dem sich Rassismus und Vernichtungswünsche paaren mit Sexismus und Verschwörungstheorien. Bereits die Wahl seiner Opfer offenbart den rassistischen Charakter der Tat.

Der Täter von Hanau handelte alleine, ihn als „Einzeltäter“ abzustempeln wäre aber ein Fehler. Solche Täter*innen handeln vor einem gesellschaftlichen Hintergrund, in dem Rassismus ein Stück weit salonfähig geworden ist. Und sie hoffen auf den Applaus der Gleichgesinnten.

Rechter Terror trifft nicht alle gleichermaßen. Er ist kein Angriff auf uns alle. Er richtet sich zu allererst gegen jene, die von den Rechten als minderwertig angesehen werden. Oftmals gegen jene, die auch von der Mehrheitsgesellschaft als „fremd“ oder „nicht-deutsch“ gelabelt werden. Um solche Taten zu verhindern, müssen wir als Gesellschaft die Ursachen für Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und andere Diskriminierungsformen angehen. Gemeinsam und beginnend bei uns selbst.

Wir müssen Fragen stellen und vor allem Zuhören. Den Betroffenen. Sie wissen, wie Diskriminierung und Ausgrenzung funktionieren, das muss ihnen niemand erklären. Sie wissen, wie sich Ausschluss, Bedrohung und Gewalt anfühlen. Weil sie das viel zu oft erleben. Sie wissen auch, wie man einen Umgang damit findet und was hilft. Daraus können wir dann vielleicht irgendwann gemeinsam Forderungen ableiten und stellen. Im Moment sollten wir zu aller erst einmal da sein und fragen, was wir tun können.

In Gedenken an die Toten von Hanau. Unser Herz ist heute bei den Angehörigen und Freund*innen der Toten und Verletzten und allen Betroffenen rechter Gewalt.

Diese Kundgebung soll ein Signal senden: Wir stehen an eurer Seite! Wir weichen nicht!

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