„Wir wollten mal ergebnisoffen mit ihm reden“, so kommentierte der Kreissprecher Martin Schiller die Einladung des Neonazis Andreas Kalbitz durch den AfD Kreisverband Münster. Wir haben an der Stelle eigentlich keine weiteren Fragen zur Positionierung der AfD im Münsterland. Wer ergebnisoffen mit einem Politiker reden will, der sein halbes Leben in der militanten Neonaziszene verbracht hat, der zieht in Erwägung, einem Faschisten zuzustimmen. Daran gibt es nichts falsch zu verstehen, nicht schönzureden und nichts zu relativieren.
Aufmerksame Beobachter*innen der AfD und des Kreisverbandes Münster im Besonderen hat die Einladung des Vertreters des extrem rechten Flügels aber kaum verwundert. Ist es doch die logische Konsequent aus der innerparteilichen Machtpolitik des Kreisverbandes einerseits und seiner fortschreitenden Radikalisierung andererseits. Der Kreisverband Münster hat sich von Beginn an sehr flexibel gezeigt, wenn es um die Frage nach der Positionierung innerhalb der AfD ging. In der Regel passten sich Martin Schiller und seine Kamerad*innen den dort herrschenden Verhältnissen an.
So war Martin Renner, seines Zeichens Gründungsmitglied der AfD und Anhänger des völkisch-nationalistischen Flügels, lange ein gern gesehener Gast im Kreisverband. Zumindest so lange Renner den Posten als Landessprecher der AfD NRW innehatte, störte sich niemand an den ihm unterzeichneten menschenverachtenden Manifesten und seinen Kontakten zu Björn Höcke.
Das änderte sich erst nach der Machtübernahme des Duos Petry und Pretzell auf Bundes- und Landesebene. Nachdem eine Veranstaltung mit den beiden in Münster erst im dritten Anlauf und begleitet von massiven Protesten gelang, stieg der von Misserfolgen gebeutelte Martin Schiller sogar eine kleine Stufe auf der Karriereleiter auf: Er trat auf einem Kongress der ENF-Fraktion des EU-Parlaments als Moderator auf und hofierte dort führende Kader extrem rechter und rassistischer Parteien in Europa wie Marine Le Pen oder Geert Wilders.
Nach dem sang- und klanglosen Abgang von Petry und Pretzell stand Schiller, der nicht zuletzt wegen der katastrophalen Wahlergebnisse in Münster und dem Münsterland den Einzug in den Landtag knapp verpasst hatte, vor einem Neuanfang. Im Landesverband NRW positionierte man sich zunächst auf Seiten des vermeintlich „bürgerlichen“ Flügels um Helmut Seifen. Bürgerlich im Sinne von nicht offen völkisch, sondern „lediglich“ nationalistisch, rassistisch, chauvinistisch und sozialdarwinistisch – kurz gesagt: Exkludierend.
In der Pattsituation des Machtkampfes innerhalb der AfD NRW versuchten sich Schiller und seine Kamerad*innen dann bewusst, sich „bürgerlich“ zu geben, und scheiterten auf ganzer Linie. Antisemitische Hetze gegen den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Münster, die Einladung des extrem rechten Vordenkers Karlheinz Weißmann, ein tätlicher Übergriff auf einen vermeintlichen Gegendemonstranten, Kontakte zur „Identitären Bewegung“ und christlichen Fundamentalist*innen, die Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus, misogyne Hetze gegen die Klimaaktivistin Greta Thunberg, Ausfälle auf einer Podiumsdiskussion zur Europawahl und nicht zuletzt die konsequente Verbreitung rechter Hetze in den sozialen Medien. Der AfD Kreisverband Münster hat in den letzten Jahren wirklich keine Gelegenheit ausgelassen, die eigene Fassade zu demolieren.
Den Rest erledigten ein antifaschistischer Grundkonsens und eine vielfältige und entschlossene Protestkultur in Münster. Die AfD bekommt in Münster und dem Münsterland keine Räume mehr, Martin Schiller erwartet ein Gerichtsverfahren und wir sind zuversichtlich, dass die AfD bei der nächsten Kommunalwahl mit unter 3 % der Stimmen endgültig in der Bedeutungslosigkeit versinken wird, die ihr gebührt. Das erledigt sich nicht von alleine, aber wir sind da optimistisch, dass die Münsteraner*innen weiterhin klare Kante gegen die extreme Rechte zeigen werden.
Gleichzeitig kippen auf Bundes- und Landeseben die Machtverhältnisse in der AfD endgültig zu Gunsten des offen extrem rechten Flügels. Hier wiederholt sich die Geschichte wieder einmal – die NPD hat während ihres Aufstieges in den 60er Jahren ganz ähnliche Radikalisierungsprozesse durchlaufen. In dieser Situation wendet sich der Kreisverband Münster nun offensichtlich den neuen Herren im Haus zu, indem eine führende Person wie Kalbitz exklusiv eingeladen wird, um hinter verschlossenen Türen schon einmal die Modalitäten für eine zukünftige Zusammenarbeit auszuhandeln. Dass die AfD Münster ihre Rechnung mal wieder ohne „diese Antifa“ gemacht hat und dank antifaschistischer Recherche und öffentlichem Druck die nächste Veranstaltung verhindert wurde, ändert nichts an der dahinterstehenden Positionierung.
Umso weniger verständlich ist es, dass viele Medien immer noch keinen konsequenten Umgang mit einer extrem rechten Partei wie der AfD gefunden haben. Solange Martin Schiller und seine Kamerad*innen immer noch als normale Gesprächspartner*innen gelten und ihre Aussagen teils unhinterfragt wiedergegeben werden, werden sie diesen Spielraum nutzen, um sich als „bürgerliche“ Partei darzustellen und so die Normalisierung extrem rechter Inhalte voran zu treiben. Es bleibt also unabdingbar, weiter zu recherchieren und in den Diskurs zu intervenieren: Die AfD ist eine extrem rechte Partei, ihr sollte keine Bühne geboten werden – nicht in den Medien, nicht in den Parlamenten, nicht in den Kneipen, nicht in den Unis und nicht auf der Straße!
Das erfordert einen langen Atem und ist nicht immer leicht. Deshalb wollen wir uns an dieser Stelle bei den großartigen Menschen von der Initiative Südviertel bedanken, die seit nunmehr einem Jahr den Widerstand gegen die AfD im Viertel organisieren und jeden Monat hier stehen, um Martin Schiller und seinen Kamerad*innen zu sagen, dass eine Nachbarschaft mit ihnen nicht zu machen ist. Das ist unfassbar wichtig und genauso wertvoll wie 10.000 Leute auf dem Prinzipalmarkt.
Also machen wir gemeinsam weiter: Schulter an Schulter. Gegen Faschismus, Rassismus, Diskriminierung, Chauvinismus und rechte Hetze – für eine solidarische Nachbarschaft – gegen die AfD und ihre Freund*innen – gegen das AfD-Büro in der Leostraße 16 – wir hören nicht auf, bis die Scheiße aufhört! No Pasaran!